Das Projekt „Europeana 1914-1918“ vernetzt Archive, Historiker und Privatpersonen zum Thema Erster Weltkrieg. Laut Pressemitteilung haben sich bereits Institutionen und Privatpersonen aus 20 Ländern beteiligt. Darunter sind die wichtigsten Nationalbibliotheken Europas, teilfinanziert von der Europäischen Union. Jeder kann sich daran beteiligen, durch Fotos und eingescannte Dokumente aus den Jahren 1914 bis 1918. Die Fülle an Material ist daher immens: 400.000 Museums-Dokumente, 660 Stunden Filmmaterial und 90.000 private Dokumente.
Gibt man das Stichwort Stuttgart auf der Internetplattform ein, findet man unzählige private Feldpostkarten, Familienfotos, Tagebücher und Urkunden. Z.B. eine Momentaufnahme der Revolution vom 9.11.1918 vor der Rotebühlkaserne, dem heutigen Finanzamt Stuttgarts. Andere Postkarten zeigen die Rückkehr der „Landwehr“ Anfang Dezember 1918 auf der Königsstraße. Die meisten Beiträge sind private Aufzeichnungen, so dass ganze Lebensgeschichten nachvollzogen werden können.
Doch: Was resultiert aus der Sammlung von Privatdokumenten? Wird durch die persönlichen Geschichten das Leid erfahrbar oder die Einzeltaten heroisiert? Wird aus der Anzahl von Fakten ein besseres Verständnis darüber, und bringt uns das wirklich etwas für die heutige Zeit? Lernen wir aus der Geschichte oder stehen wir nur staunend vor der unglaublichen Fülle an Material?
Tatsache ist eben auch, dass weiterhin Waffen produziert und gehandelt werden, innerhalb Europas und um die ganze Welt; dass es bewaffnete Konflikte und Kriege gibt; dass Deutschland eben auch daran beteiligt ist. Das liegt nicht an fehlender Aufarbeitung des Ersten Weltkriegs, sondern an den existierenden Rüstungsfirmen und den aktuellen Entscheidungen im Bundestag.
Das Sammeln von Dokumenten und Informationen für ein europäisches Geschichtsprojekt schadet nicht. Aber solange der Bezug zur heutigen Politik fehlt, bleibt es wirkungslos.